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GOLD – GLANZVOLLES COMEBACK EINER ANLAGEKLASSE?
Ronald-Peter Stöferle
Partner und Geschäftsführer der Incrementum AG
Autor des jährlichen "In Gold we Trust"-Reports
Anfang 2019 ist Gold aus einer mehrjährigen Phase der Bodenbildung ausgebrochen. Mittlerweile hat der Goldpreis ein neues 6-Jahres-Hoch erreicht. In der Praxis stellen wir fest, dass Anleger und Banken sehr unterschiedliche Zugänge zu Gold als Anlageklasse haben. Wir haben dies zum Anlass genommen, um mit einem „Goldexperten“ das Thema zu beleuchten. Ronald-Peter Stöferle ist Partner und Geschäftsführer der Incrementum AG, eines auf Goldanlagen spezialisierten Finanzdienstleisters und Autor des jährlichen „In Gold we Trust“-Reports, mit knapp 2 Millionen Lesern die meistgelesene Publikation zum Thema Gold und Minenaktien.
Herr Stöferle, Was sehen Sie als Gründe für den Anstieg des Goldpreises in den letzten Monaten?
Wir müssen zunächst folgende Präzisierung vornehmen, denn der Bullenmarkt bei Gold ist bereits seit Längerem im Gange, jedoch erst seit Kurzem nun auch auf USD-Basis. Im Vergleich zum Vorjahr hat Gold in allen wichtigen Währungen deutlich zu gelegt . In CAD, AUD, EUR, CHF, GBP notiert Gold aktuell auf oder nahe seines Allzeithochs, bzw. liegt die Kaufkraft der jeweiligen Währungen in Gold gemessen auf einem historischen Tiefpunkt.
In USD liegt der Goldpreis trotz der deutlichen Kursanstiege in den vergangenen Monaten allerdings noch unter dem Allzeithoch. Das zeigt zweierlei. 1.) Es gibt einen allgemeinen Aufwärtstrend bei Gold, es wertet gegen alle Papiergeldwährungen auf. 2) Der USD hat in den vergangenen Jahren gegenüber den anderen wichtigen Währungen aufgewertet.
Die Gründe für diese positive Entwicklung der letzten Monate sind meiner Meinung nach in erster Linie die Wiederaufnahme der expansiven Geldpolitik (Zinssenkungen, MMT, QE) im Zuge aufziehender Rezessionswolken. Die USA haben sich allerdings bis vor kurzem diesem Trend durch insgesamt neun Zinserhöhungen und einer Rückführung der Bilanzsumme der Federal Reserven (Quantitative Tightening) widersetzt. Mit der Zinssenkung im Juli und dem zweiten Schritt beim FOMC-Meeting im September haben die USA ihren geldpolitischen Kurs neuerlich geändert. Ein abwertender USD sollte dem Goldmarkt weiteren Auftrieb verleihen. Damit einhergehend, sind die Renditeniveaus auf den globalen Anleihenmärkten nochmals implodiert. Die ständige Zunahme von Anleihen mit negativer Rendite lassen Gold, das keine Zinsen zahlt, vergleichsweise attraktiv erscheinen. Mit anderen Worten: Die Opportunitätskosten der Goldanlage sinken weiter. Zusätzlich haben (geo)politische Unsicherheiten in den vergangenen Monaten zugenommen, sei es im Nahen Osten, in China, aber auch das Gezerre um den Brexit. Die wiederholten Angriffe von US-Präsident Donald Trump auf den Vorsitzenden der Federal Reserve, Jerome Powell, werden als Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und damit auf die Stabilität des US-Dollar gewertet. Daneben haben die Börsen im 4. Quartal 2018 mit Verlusten von bis zu über 20 Prozent Anleger verunsichert.
Wird diese Entwicklung anhalten? Wie ist ihre kurz- und mittelfristige Einschätzung?
Die Frage lässt sich aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beantworten. Technisch betrachtet, ist der Widerstandsbereich von 1360 bis 1380 US-Dollar nach oben durchbrochen worden. Das war zumindest wieder einmal ein deutliches Lebenszeichen von Gold und hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Aus fundamentaler Sicht ist aber vor allem dann ein neuer Bullenmarkt zu erwarten, wenn sich die Rezessionsängste bewahrheiten und erneute fiskalische und monetäre Stimuli gesetzt werden. Genau das erwarten wir.
Ist Gold mehr als eine „Krisenwährung“? Wie sollte sich ein Anleger dieser Anlageklasse nähern?
Selbstverständlich ist der Krisenaspekt („fear trade“) ein wesentlicher Treiber für die Nachfrageseite. Aktuell sehen wir deutlich gestiegenes Interesse seitens Finanzinvestoren, dies spiegelt sich an den gestiegenen Volumina bei Gold ETFs aber auch Minenaktien wider. Man darf jedoch nicht vergessen, dass auch die Schwellenländer eine zunehmend große Rolle für den Goldmarkt spielen und knapp 70% der physischen Nachfrage ausmachen. Und mit dem dort steigenden Wohlstand nimmt die Bedeutung weiter zu. Im kommenden Jahr werden die Schwellenländer zusammen rund die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Im Jahr 2000 lag der Anteil noch bei lediglich 19 Prozent. Gerade in Indien und China gibt es eine starke Nachfrage nach Gold – und zwar von privater und von staatlicher Seite aus, also von den dortigen Notenbanken. Das Interessante ist, dass die Nachfrage sehr konstant und weniger zyklisch verläuft. Bildlich gesprochen fließt das Gold von Westen nach Osten.
Physisches Gold, Gold-ETFs, Goldminenaktien, etc. Es gibt viele Möglichkeiten in Gold zu investieren. Worauf sollte der Anleger achten?
Gold kann zwei Eigenschaften erfüllen. Wir verwenden dafür die Ausdrücke Performancegold und Sicherheitsgold.
Performancegold eröffnet die Möglichkeit, an bestimmten Preisbewegungen teilzuhaben. Die Bandbreite an Anlagemöglichkeiten ist groß. Beispielsweise kann man Futures, Minenaktien, börsengehandelte Fonds (ETFs) oder Goldzertifikate erwerben. Zwar kommt man dabei nicht in den physischen Besitz von Gold, kann dafür aufgrund der niedrigen Handels- und Lagerkosten aktiv traden und beispielsweise auf Inflationstendenzen spekulieren. Da Gold mit den meisten anderen Anlageklassen wenig oder gar negativ korreliert ist, kann eine Gold-Beimischung, etwa über Goldzertifikate, die Portfolioeigenschaften deutlich verbessern. Minenaktien, die sich meist im Gleichklang mit dem Goldpreis entwickeln, aber viel stärker nach oben wie auch nach unten ausschlagen, also hochvolatil sind, sind dabei etwas für richtige Profis. Doch auch bei Goldzertifikaten ist Vorsicht geboten. Zwar erwirbt man mit diesen einen Anspruch auf physisch hinterlegtes Gold, allerdings werden wesentlich mehr Zertifikate ausgegeben, als Gold tatsächlich in den Tresoren liegt. Hier wird also das gleiche Spiel betrieben wie bei einer Teilreserve-Bank.
Wer Gold aus dem Grund kauft, sich gegen eine schwere Krise unseres Geldsystems abzusichern, sollte daher Sicherheitsgold, sprich physisches Gold, kaufen und es sicher, am besten außerhalb des Bankensystems (und eventuell sogar außerhalb des Landes) verwahren. Sicherheitsgold ist ein Buy-and-Hold-Investment, eine Versicherung gegen einen Systemzusammenbruch. Der große Vorteil beim Erwerb von physischem Gold ist, dass es weder ein Laufzeitrisiko noch ein Rohstoffrisiko hat, und vor allem kein Gegenparteirisiko. Für den Papiermarkt hingegen sind die Versprechungen verschiedenster Gegenparteien elementar. Solange das Vertrauen hoch ist und die Konjunktur gut läuft, ist ein Gut ohne Gegenparteienrisiko unattraktiv. Wenn sich jedoch die Sorgen um potenzielle Ausfälle mehren, können Güter wie Gold wiederum rapide an Bedeutung gewinnen. Die Attraktivität von Gold ist also eine inverse Funktion des Geldsystems. Und da dieses nicht nachhaltig ist und zusehends am seidenen Faden hängt, sind aktuell die Aussichten für Gold hervorragend.
Wie gross ist der Goldmarkt im Vergleich zu den Aktien- und Anleihenmärkten?
Mit einem täglichen Handelsvolumen von knapp 30 Milliarden USD ist Gold eine extrem liquide Assetklasse bzw. Währung. Aktuell liegt der Gesamtbestand an Gold bei 193.000 Tonnen, dies entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 21 Metern. Die jährliche Goldproduktion beläuft sich auf 3.300 Tonnen und dürfte auf Sicht der nächsten Jahre stagnieren. Der Wert der Goldbestände liegt derzeit bei knapp 8 Billionen USD, während die globale Verschuldung bei 217 Billionen und die Aktienmarktkapitalisierung bei ca. 70 Billionen liegt.
Ist bekannt, wer in den letzten Jahren die Goldbestände aufgestockt hat?
Die Notenbanken – insb. in den Schwellenländern – waren zuletzt ganz wesentliche Käufer. 2018 haben die Zentralbanken mit 657 Tonnen die größten Zukäufe seit dem Ende von Bretton Woods 1971 getätigt. Russland (274,3 Tonnen), Kasachstan (50,6 Tonnen) und Indien (42,3 Tonnen) waren die größten Käufer. Aber auch die Zentralbanken einiger EU-Staaten traten 2018 als Nettokäufer auf. Ungarn hat seine Goldbestände verzehnfacht. Polen, ebenfalls ein Nicht-Euro-Land, zählt zu den Top 5-Käufern und hat den größten Zukauf seit 1998 abgewickelt.
Gold wir vor allem als Wertspeicher genannt. So kennt man die Aussage „1 Unze Gold kauft einen guten Anzug“. Kennen Sie ähnliche Vergleiche?
Tatsächlich lassen sich diverse Beispiele finden, die auf den Kaufkrafterhalt des Goldes über lange Zeitperiode hinweisen. So zum Beispiel kostete im alten Rom eine Offiziersuniform rund eine halbe Unze Gold. Wenn man heute im Internet recherchiert, findet man Uniformen so ab 600 Euro.
Das entspricht in grob demselben Wert wie damals. Wieso ist dies so?
Gold verfügt über einzigartige physikalische Eigenschaften. Es ist de facto unzerstörbar, aber einfach zu verarbeiten. Gold ist aber auch das einzige Metall, das über die Zeit unverändert bleibt und unvergänglich ist. Das erklärt womöglich auch das psychologische Phänomen der anhaltenden Begeisterung von Menschen für das gelbe Metall. Als sterbliche und endliche Wesen sind wir fasziniert von einem Material, das die Zeit überdauert. Deswegen begehren die Menschen Gold seit je her stark und horten es in Form von Kunst oder auch als puren Goldgegenstand. Auch zum Gedenken an spezielle Momente wird sehr gerne Gold zu Schmuckstücken verarbeitet, die es uns ermöglichen, die Emotionen am Leben zu erhalten.
Aus all diesen Eigenschaften ergibt sich, dass Gold ein Bestandsgut und nicht ein Verbrauchsgut ist. Der Nutzen des Goldes besteht darin, es zu horten. Dies hat letztendlich dazu geführt, dass der bereits geförderte Goldbestand zwar stetig steigt, aber im Verhältnis zum bereits geförderten Gold ist der neugeförderte Bestand gering. Dieser liegt etwa bei 1-3% pro Jahr. Angebotsseitig ist Gold also ziemlich stabil, jedenfalls stabiler als die allermeisten anderen Güter. Daher eignet sich das gelbe Metall hervorragend als Wertaufbewahrungsmittel.
Welches ist die optimale Allokation in % für ein Portfolio mit mind. 8 Jahren Anlagehorizont?
Dies ist pauschal schwer zu sagen, es hängt natürlich vom restlichen Portfolio ab. In unseren Goldstudien gehen wir sehr stark auf Gold im Portfoliokontext ein und kamen stets zum Schluss, dass Gold eine hervorragende Versicherung gegen steigende Inflation, gegen Aktienmarktcrashes sowie gegen Rezessionen darstellt. Zudem ist es weitgehend un- bzw. negativ korreliert zu den wesentlichen anderen Anlageklassen. Im „big picture“ sehen wir es als – nach wie vor günstige – Versicherung, denn niemand weiß, wie das größte geldpolitische Experiment aller Zeiten ausgehen wird. Möglicherweise wird aus der vermeintlichen Allmacht der Notenbanken irgendwann Ohnmacht. Es ist daher besser, eine Versicherung zu haben, die man nicht braucht, als keine zu besitzen, wenn man sie braucht. Gold erfüllt exakt diese Funktion. Gold ist daher auch zukünftig ein unverzichtbarer Portfoliobestandteil, der Anleger auch in Stresssituationen an den Finanzmärkten ruhig schlafen lässt.
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